Wir wollen nach Koman. Das Navi berechnet für die 55 Kilometer sage und schreibe anderthalb Stunden. Bereits kurz hinter Shkodra wird klar, warum. Es geht ordentlich bergauf. Erstaunlich, da Koman, mit 83 Meter über Normalnull, lediglich 70 Meter höher liegt als die 112.000 Einwohner zählende Großstadt.
Der wechselnde Belag aus Asphalt und Schotter, zahlreiche Badewannen große Schlaglöcher sowie die teilweise zum Tal abgerutschten Straßenränder, fordern unsere volle Konzentration und wachsame Augen. Schwierig, da die spektakulären Ausblicke und die wunderschöne Natur bereits um deren Aufmerksamkeit buhlen. Das führt dazu, dass wir viele Stopps einlegen, um das fantastische Panorama in Ruhe auf uns wirken zu lassen. Wir machen Fotos, staunen nicht schlecht und freuen uns über unsere Entscheidung, diesen Weg auf uns genommen zu haben.
Wir haben Lust, ein bisschen Bergluft zu schnuppern und suchen uns spontan einen Platz für die Nacht. Der erstbeste Schotterweg, der von der Hauptstraße abgeht ist unser. Ich stoppe den Bus und gehe den Weg ein Stück zu Fuß weiter, um zu prüfen, ob wir diese Piste unserem Kastenwagen zumuten können. Die Sonne scheint und die Vorstellung, heute zum Sonnenuntergang vorm Camper zu sitzen und auf den Fluß im Tal zu schauen, finde ich faszinierend.
Ich laufe zurück und berichte Petra von dem Platz und merke an, dass der Weg dorthin schon eine kleine Herausforderung für unseren 2-Wheel-Drive sein könnte. Wir schauen uns kurz an, grinsen und entscheiden uns für den kurzen Abenteuer-Trip. Der Weg ist schmal und die Äste der links und rechts wachsenden Büsche erzeugen heftige Kratzgeräusche an der Aussenhaut unseres Fahrzeugs. Jeder Knartscher fügt uns körperliche Schmerzen zu. Wir fahren dennoch weiter. Als wir an dem von mir vorab inspizierten Platz ankommen, entscheiden wir uns dennoch umzukehren.
Petra merkt an, dass für die Nacht Regenfälle angekündigt sind und der lehmige Boden es eventuell schwierig machen könnte, überhaupt wieder weg zu kommen. Ich beginne ein Manöver, angelehnt an das in der Fahrschule gelernte „Wenden in drei Zügen“. Einziger Unterschied, ich benötige fünfmal so viele, bis Puschel in Fahrtrichtung gedreht den Rückzug mit uns antritt – wieder hört es sich an, als ziehe jemand mit einem Schlüssel eine tiefe Spur durch den Lack unseres Vans. Wir parken letztlich am ersten Haltepunkt und sind darüber am nächsten Morgen mehr als glücklich. Nach den stundenlangen Regenfällen ist der gestern noch trockene Lehmboden zu einer Schlammpiste geworden.
Der Sonnenuntergang entpuppt sich als nicht ganz so spektakulär wie erhofft. Dennoch bauen wir Stative und Blitz auf und machen ein kleines Fotoshooting mit unserem Pössl-Kastenwagen im Hintergrund.
Am Morgen fahren wir entspannt zurück auf die Hauptstraße. Wie gesagt, zum Glück haben wir rechtzeitig den Rückzug vorm Regen angetreten. Die Fahrt nach Koman bleibt spannend, denn die nächtlichen Schauer scheinen dabei geholfen zu haben, die Straße weiter zu ramponieren. Es ist der reinste Zickzack-Kurs, denn ich versuche, alle Schlaglöcher zu umfahren. Dennoch erwische ich das eine oder andere, was wiederum ein lautes Aufstöhnen auf dem Beifahrersitz erzeugt und auch mir innerlich weh tut. Weiter geht's.
Nach zweieinhalb Stunden erreichen wir Koman. Ein imposanter Tunnel markiert das Ende der Strecke: hinter diesem liegt direkt an der Staumauer der Hafen. Einmal täglich startet hier eine Fähre nach Fierza, nahe der Grenze zum Kosovo. Wir aber organisieren uns eine kleine eineinhalbstündige Bootstour entlang des Flusses und freuen uns über die spektakulären Eindrücke.
Im Gebiet um den Stausee ist freies Campen nicht gerne gesehen, daher rollen wir auf den Natyr-Campingplatz.
Die beiden, anscheinend zum Platz gehörenden Hunde begrüßen uns durch lautes Bellen. Nach kurzem Überlegen traue ich mich aus dem Wagen, um zu sehen ob jemand da ist, bei dem wir uns anmelden können. Ich lasse die Fahrertür leicht geöffnet und bleibe nahe beim Fahrzeug, um mich gegebenenfalls mit einem Sprung zurück in den Camper vor den Hunden retten zu können. Doch schon verstummen beide und legen sich wieder hin. Wir müssen lachen. Erst als der Mercedes des Besitzers die Auffahrt herunter kommt, steht einer der beiden auf und trottet auf unseren Wagen zu. So als müsse er jetzt vor seinem Herrchen eine Pflicht erfüllen.
Der Besitzer ist supernett und gibt mir zu verstehen, dass wir uns einen Platz aussuchen können. Die Frage nach einer heißen Dusche bejaht er und schmeisst sogleich den alten Boiler an. Es wirkt alles ein bisschen in die Jahre gekommen, aber es hat Charme und wir lieben es hier. Ungefähr eine Stunde nach uns kommt ein weiterer Gast an: es ist Marco aus Belgien, der für 2 Monate auf Fahrradtour ist, wie er mir später erzählt. Er baut sein Zelt auf und nutzt die kurzzeitig durchdringenden Sonnenstrahlen, um seine komplette Ausrüstung zu trocknen.
Die letzte Nacht habe ihm mächtig zugesetzt, meint er. Was er noch nicht ahnt, die kommende wird ihm noch einiges mehr abverlangen. Denn diese bietet neben Regen- noch Hagelschauer und heftige Winde. Wir müssen ein paar mal an ihn denken, da wir aufgrund der laut aufs Dach prasselnden Hagelkörner nicht schlafen können.
Wir liegen gemütlich eingekuschelt in unserm Bett und es fühlt sich himmlisch an, für ihn muss es die Hölle sein.
Er nimmt vermutlich am nächsten Morgen um 9 Uhr wie geplant die Fähre, immerhin radelt er rechtzeitig vom Platz. Wir lassen uns ein bisschen länger Zeit, säubern den Wagen, packen alles in Ruhe ein und machen uns schließlich auf den Weg in Richtung Tirana.
Am Ende der Talfahrt entdecken wir einen Fluss mit einem schönen Platz davor. Ideal, um vor der Hektik der Hauptstadt noch ein bisschen Ruhe zu genießen. Kurzerhand stoppen wir und bleiben schließlich zwei Nächte. Endlich haben wir ausreichend Zeit, unseren ersten YouTube-Film zu schneiden und online zu stellen.