Wir verlassen Tirana. Und schon nach wenigen Kilometern merken wir, dass das Unterwegs sein für uns mindestens genau so wichtig ist, wie das Ankommen. Es fühlt sich fantastisch an, mit unserem Van durch die Gegend zu fahren, die Orte vorbeiziehen zu lassen, die Menschen am Straßenrand zu beobachten und die wechselnde Landschaft zu erleben.
Unser Ziel ist Berat, auch die Stadt der 1.000 Fenster genannt. Unsere Fahrzeit für die knapp 70 Kilometer lange Strecke von der Hauptstadt bis hierher beträgt gut zweieinhalb Stunden, da wir immer mal wieder für kurze Fotostopps und eine Kaffeepause anhalten.
In Berat angekommen finden wir einen schönen Stellplatz für unseren Kastenwagen, auf dem wir von der Besitzerin sehr herzlich mit einem Teller Obst empfangen werden.
Neben uns campt ein ehemaliges Feuerwehrauto aus Österreich. Wir sind neugierig, wie so ein Trekking-LKW von innen aussieht und fragen unsere Platznachbarn, ob wir in ihre Behausung schauen dürfen. Wir dürfen. Der Off-Roader ist selbst ausgebaut von der Technik bis zur Bordküche. Wir sind schwer beeindruckt. Petra und Martin, die beiden Eigentümer:innen sind auf ihrer Rückreise nach fast einem Jahr Auszeit. So bekommen wir noch ein paar gute Tipps für den Süden Albaniens mit auf den Weg.
Dann machen wir uns noch auf, zu einer ersten Erkundung. Anstatt entlang der Hauptstraße Richtung Altstadt zu laufen, nehmen wir den Weg durch ein Wohngebiet. Einer Mischung aus alten Steinhäusern mit Orangenbaum-Gärten und sozialistischem Wohnungsbau.
Unser Weg endet direkt an der Flussbiegung des Osum. Hier begrüßen uns auch schon die eng an den Hang geschmiegten, wie aufeinander gestapelten Häuser aus Felssteinen mit großen rechteckigen Holzfenstern, die der Stadt zu ihrem Beinamen verholfen haben.
Die kleine Moschee direkt am Ufer bezeugt, dass das Viertel einst eher muslimisch geprägt war.
Über Mangalem thront eine große Burganlage. Wir beschließen, uns die Freiheit zu nehmen, diese Burg nur von unten zu bestaunen und queren den Osum ein zweites Mal, um uns in den engen Gassen von Mangalem zu verlieren. Nach einigem treppauf und treppab sehen wir in einer der Gassen eine Terrasse, die zum Friendly House gehört und den Blick von oben auf den Osum ermöglicht. Unser Ziel, um den Tag ausklingen zu lassen.
Friendly House Berat
Café & Restaurant
Lagja, Berat 5001, Albanien
Tel.: +355 69 220 0544
Am nächsten Morgen laufen wir noch einmal Richtung Altstadt. Auf der anderen Seite des Osum liegt Gorica, der zweite historische Stadtteil, der viele Jahrhunderte lang nur durch eine Holzbrücke mit dem Rest von Berat verbunden war. Hier steigen wir die mit Kopfstein gepflasterten Pfade hoch auf der Suche nach einem schönen Aussichtspunkt für ein Foto.
Die Gassen werden enger uns steiler, aber immer wieder versperren uns Zäune oder Stromleitungen den freien Blick, als wir neben uns eine Frau in ihrem Garten bemerken. Sie spricht uns an, ob wir Engländer seien? Sind wir nicht, aber wieso spricht sie deutsch? Es sind zwar nur ein paar Brocken deutsch, die sie beherrscht, aber wir finden mit Händen und Füßen bald heraus, dass sie Natascha heißt und drei Jahre in Düsseldorf gelebt und gearbeitet hat.
Sie lädt uns ein, auf einen türkischen Kaffee. Wir öffnen die Gartenpforte und auf der Terrasse angekommen, treffen wir auf ihre Mutter. Auch sie begrüßt uns sehr freundlich. Und da ist er: unser Fotospot. Nataschas Terrasse bietet den perfekten Blick von oben auf die Altstadt von Mangalem.
Während wir Aufnahmen machen, erscheint Natascha mit zwei türkischen Kaffee und zwei Gläsern Schnaps, eine Art albanischem Raki, sowie eingelegten süßen Kirschen. Herrlich. Wir unterhalten uns weiter mit ihr mit Händen und Füßen und genießen. Natascha hat inzwischen ihr Mobiltelefon geholt. Am Apparat ist ihre Tochter Vitolia. Sie lebt in Dortmund und freut sich ebenfalls, dass ihre Mutter uns vor ihrer Gartentür aufgelesen hat.
Wir tauschen uns noch ein bißchen aus, bevor Christoph ein Abschiedsfoto von Nataschas Mutter macht. Ihr wunderbar gealtertes Gesicht ist für einen Fotografen einfach zu verlockend. Dann machen wir uns wieder auf den Rückweg zu unserem Camper, glücklich über dies wunderbare Begebenheit. Ob Natascha wohl bewusst ist, welche Bereicherung ihre Geste war?
Am nächsten Tag verlassen wir die Stadt entlang des Flusses Osum Richtung Süden. Unser Ziel ist der Corovade Canyon. Petra und Martin, die beiden aus dem ehemaligen Feuerwehrauto, hatten uns schon mit der Information versorgt, dass die Straße bis zur Schlucht gut ausgebaut ist. Danach allerdings, so die beiden, empfiehlt sich ein Allrad-getriebenes Fahrzeug. Wir beneiden die zwei ein bißchen, dass sie noch weiter ins Gelände fahren konnten, nehmen den Hinweis aber dankbar an, denn selbst die autobegeisterten Albaner fahren hier nicht mehr ihre geliebten Mercedes-Limousinen, sondern 4-Wheel-Drives.
Unser Pössl schraubt sich wieder einmal Kurve um Kurve in die Berge. Und obwohl man denken könnte, wir hätten im Norden von Albanien bereits viel Berglandschaft gesehen, hüpfen wir an jeder zweiten Kurve vor Begeisterung aus dem Van und machen Aufnahmen. Spontan entscheiden wir uns, an einer Flusssenke anzuhalten und zu bleiben. Wir richten uns ein, machen ein Bier auf und setzen uns in die Türöffnung unseres Vans und schauen wechselweise dem Fluss hinterher und in die grünen Hänge. Einfach nur schön.
Zwei Tage später brechen wir wieder auf. Unseren Stellplatz haben zwischenzeitlich noch zwei weitere Wohnmobile gefunden. Also wird es Zeit, weiter zu ziehen. Weit kommen wir allerdings nicht. Zu nett sieht das Café im Zentrum von Corovode aus. Nach einem Kaffee steigen wir dann wieder in unseren Camper und fahren weiter Richtung Canyon. Es gibt zwei Aussichtsplattformen, von denen man sehr gut bis hinunter zum Osum sehen kann. Er hat sich hier mit seinem Flussbett tief in den Felsen gegraben. Vermutlich klingen wir wie ein Platte mit einem Sprung, aber auch hier finden wir es atemberaubend schön.
So schön, dass wir zwei weitere Nächte nur ein paar hundert Meter entfernt campen, bevor wir weiter fahren in den Süden. Wir träumen von Meer und Strand.