Tbilisi empfängt uns mit Sonnenschein und 30 bis 33 Grad. Am Rande der Altstadt hinter der Sameba Kirche auf dem Parkplatz des armenischen Friedhofes finden wir eine kleine Van Life Kommune.
Dort stehen mit uns in wechselnden Konstellationen VW Busse, Kastenwagen, Off-Road-Fahrzeuge, Wohnmobile und sogar einmal ein Wohnwagen. Sie kommen aus Deutschland, Schweiz, Österreich, Rumänien, Frankreich, Russland und sogar dem Iran.
Der Platz ist geräumig und so groß, dass ungefähr 12 Vans Platz finden und trotzdem noch die Kleinbusse vor dem Friedhof halten können, die mehrmals täglich Besuchende bringen. Nur Wasser gibt es nicht. Und so wird Christoph in den kommenden Tagen bei jedem Gang zurück zu Puschel einen Kanister Wasser aus einem nahe gelegenen Park den Berg hoch tragen.
Unser erster Weg führt uns zu einer kleinen Wäscherei in der Altstadt. Sie bietet große Waschmaschinen und Trockner. Letzteres ist uns wichtig, denn Wäscheleinen und ein Friedhofsparkplatz vertragen sich in unseren Augen nicht. Fun Fact: alle Maschinen werden mittels einer App betrieben, in der man die Laufzeit überwachen kann. Die nutzen wir, um eins der zahlreichen Cafés in der Altstadt auszuprobieren.
Danach organisiert wir uns an einer Metrostation eine aufladbare Fahrkarte. Eine Fahrt kostet umgerechnet 35 Eurocent und die Karte kann von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden.
Da die Karte auch für die Fahrt mit der Gondel zur Festung Nariqala und zur Mutter Georgia gültig ist, unternehmen wir eine Testfahrt, biegen aber in Richtung des Botanischen Garten ab. Von hier laufen wir zum Leghvtakhevi Wasserfall, der mitten in der Altstadt 22 Meter in die Tiefe fällt und eine herrliche Abkühlung bietet. Leghvi bedeutet Feige auf georgisch, was auf die Feigenbäume hinweist, die hier einmal standen.
Auf dem Rückweg zu unserem Stellplatz finden wir - wie in Albaniens Hauptstadt Tirana - ein Stück Berliner Mauer. Ein Geschenk Deutschlands an die Georgier:innen anlässlich des Besuches des georgischen Premierministers 2017 in Deutschland. Wir vermuten, er hatte auf dem Rückweg leichtes Übergepäck.
Den Abend lassen wir im Kiwi Vegan Café bei hausgemachter Limonade, Burgern und Wraps ausklingen.
Kiwi Vegan Café
6 Ivane Machabeli St.
Tibilis 0105, Georgien
geöffnet täglich: 12-23 Uhr
Am nächsten Tag ist es soweit. Wir holen unseren Sohn Luke vom Flughafen ab und freuen uns nach über drei Monaten sehr über das Wiedersehen. Wir setzen sein Gepäck an seinem Hostel ab, in dem er die kommenden Tage wohnen wird und fangen an, die Altstadt zu erkunden.
Die Architektur der Häuser und der morbide Charme geben Tbilissi eine besondere Ausstrahlung, die uns alle drei in ihren Bann zieht. Wir genießen es, umherzulaufen, Details zu entdecken und das Leben in der Stadt zu beobachten.
Tbilisi ist mit ihren verschiedenen Stadtvierteln extrem vielfältig. Mal erinnert sie uns an unsere Heimatstadt Hamburg, mal an das Berlin der 90er Jahre und manchmal auch ein wenig an Paris. Bei unserem Streifzug treffen wir immer wieder auf architektonische Schätze - in sehr unterschiedlichem Zustand und oft mit beeindruckenden Details. Wie prächtig muss diese Stadt einmal zu ihrer Blütezeit gewesen sein. Kein Wunder, dass Tbilisi Reisende und Schriftsteller, wie Dumas, Pasternak und Puschkin entzückte, aber auch Marc o' Polo, dem dieses Zitat zugerechnet wird: In Georgien gibt es eine wundervolle Stadt namens Tipilissi. Wer mag es Ihnen verdenken bei dieser Architektur?
Besonders beeindrucken uns die reich verzierte Holzbalkone und Holzgalerien, die sich mal einzeln am Haus befinden oder in den Innenhöfen über sämtliche Stockwerke ziehen. Sie sind einfach so schön, zeugen sie doch von der Liebe und Leidenschaft mit der die Menschen hier ihre Häuser gebaut haben. Wir hoffen sehr, dass möglichst viele dieser kunstvollen Bauwerke gerettet werden.
Als der Abend anbricht und uns die Füße weh tun, steuern wir das alternative Hinterhof-Restaurant EZO an. Ein Insider-Tipp von Lukes Freund, der eine Zeit lang in Tbilisi studiert hat. Das Restaurant bietet typische georgische Speisen in einem typischen Tbilissi Hinterhof.
Restaurant EZO
16 Geronti Kikodze St.
Tbilisi 0105, Georgien
geöffnet: 15-24 Uhr
Den nächsten Tag starten wir mit einem Blick über die Stadt an der Festung Nariqala. Die Festung wurde im 3. Jahrhundert unter den Persern erbaut. Das persische Wort Nari-Qala bedeutet übrigens uneinnehmbare Burg. Von hier aus wandern wir weiter zum Turtle Lake, einem beliebten Ausflugsziel der Tblisser:innen, um uns ein wenig Abkühlung zu verschaffen. Den Sonnenuntergang genießen wir an der Sameba Kathedrale und schießen noch ein gemeinsames Foto.
Am nächsten Tag starten wir bei einem Kaffee auf einer Veranda mit Blick über die Altstadt. Der richtige Ort für das klassische Tbilissi-Programm. Wir starten in Abanotubani, dem Viertel der Schwefelbäder in der Altstadt von Tbilissi. Der Legende nach schoß hier der Falke des georgischen(!) Königs von Iberia vom Himmel, was zur Entdeckung der heißen Quellen und anschließend zur Gründung der neuen Hauptstadt Tbilssi führte. Das schönste Schwefelbad dort ist das Orbelianibad, finden wir. Bei über 30 Grad in der Stadt ist uns ein heißes Schwefelbad allerdings zu schweißtreibend. Also erfreuen wir uns an den Ornamenten. Wir Banausen haben das Bad doch glatt erst einmal für eine Moschee gehalten.
Wir laufen weiter durch die Altstadt zu dem kleinen schattigen Garten, der der georgischen Schauspielerin Sophiko Chiaureli gewidmet ist. Neben ihrer Büste sind hier auch ihre vier größten Rollen portraitiert. Wir machen eine kurze Rast auf einer der Parkbänke.
Natürlich darf die Friedensbrücke bei unseren Besichtigungen nicht fehlen. Das charakteristische Bauwerk über die Kura wurde 2010 fertiggestellt. Dieses architektonisch schöne Bauwerk ist unser nächstes Ziel.
Der neunköpfige Antschischati Chor pflegt die mittelalterliche polyphone Kirchen- und Volksmusik aus Georgien. Er wurde 1989 gegründet, unmittelbar nachdem in Georgien die Ausübung von Kirchenmusik wieder erlaubt war, und tritt auch außerhalb des Landes auf.
Und dann ist es auch schon wieder Zeit, Abschied zu nehmen. Wir bringen Luke zum Bahnhof. Er reist mit dem Nachtzug weiter nach Armenien und verbringt ein paar Tage in Eriwan.
Für uns beginnt jetzt die Entscheidungsfindung, wie wir weiterreisen und wollen und können. Es gibt drei mögliche Wege: über Aserbaidschan, über Russland oder über die Kombination aus Iran und Turkmenistan. Keine leichte Entscheidung, denn alle drei Länder sind politisch keine einfachen Reiseländer.
Aserbaidschan hat gerade verkündet, seine Grenzen für den Landverkehr bis Oktober 2023 auf Grund von Corona geschlossen zu halten, so die offizielle Information.
Wir fahren dennoch mit unseren Papieren in Tbilissi zur aserbaidschanischen Botschaft, um zu erfragen, ob die Möglichkeit einer Sondergenehmigung besteht. Dort haben wir den Tipp erhalten, eine Anfrage an das Kabinett zu senden. Das haben wir getan. Nachdem wir hier bis heute leider keine Antwort erhalten haben, bleibt jetzt nur noch der Transport unseres Vans durch einen Spediteur nach Aserbaidschan.
Da der Luftweg allen Touristen offen steht, könnten wir nach Baku fliegen, den Kastenwagen aus dem Zoll auslösen und auf der Fähre nach Kasachstan reisen. Das Land auf dem Landweg zu verlassen ist nämlich lustigerweise möglich.
Nach unseren Recherchen kostet der Spediteur ca. 2000 Dollar, plus Flüge und ggf Hotel. Außerdem haben wir erfahren, dass wir unser Autoradio ausbauen und mit uns im Flugzeug einreisen lassen müssten, was weitere Kosten mit sich bringen würde. Dieser Weg ist für uns nur die zweitbeste Lösung.
Eine weitere Alternativroute führt durch Iran und Turkmenistan nach Uzbekistan. Wir haben aus Foren und von Traveller, die wir unterwegs getroffen haben, erfahren, dass Iran verstärkt Visaanträge ablehnt. Turkmenistan, das früher noch 3-Tages-Transitvisa vergeben hat, fordert heute die Begleitung durch eine Reiseführer, wenn es überhaupt Visa vergibt. Auch hier scheint die Absagequote nach unseren Informationen recht hoch.
Da wir die Visaanträge vorab bezahlen und die Reisebuchung vorab anzahlen müssen eine zu teure Variante angesichts der drohenden Ablehnung. Von der politischen Situation einmal abgesehen.
Bleibt die dritte Variante. Ein Transit durch Russland. Das 3-tägige Transitvisum vergibt Russland noch nicht allzu lange. Es kann - im Gegensatz zum Touristenvisum - auch außerhalb des eigenen Heimatlandes beantragt werden.
Wir beschließen diesen Weg als erstes zu versuchen, nachdem wir in Mzcheta ein spanisches Paar kennengelernt haben, das uns nach seiner Ankunft in Kasachstan ausführlich von seinen Erfahrungen berichtet hat.
In Tbilisi gibt es mittlerweile ein eigens eingerichtetes Visa Center für Russland. Wir informieren uns auf der Webseite, füllen online die Visaanträge aus, suchen unsere Papiere zusammen und begeben uns in die Rustavelli Avenue, den Sitz des Centers.
Gegen Zahlung einer Gebühr kann man dort ohne Termin vorsprechen. Die Mitarbeiterin prüft unsere Unterlagen und erklärt uns, dass unseren Fahrzeugschein ins Russische übersetzt werden muss. Sie weist uns darauf hin, dass es eine beglaubigte Übersetzung des Fahrzeugscheins sein muss. Wie wir später im Übersetzungsbüro erfahren, handelt es sich konkret um eine beglaubigte Übersetzung in Georgisch und dann in Russisch.
Die Dame informiert uns zu dem, dass wir eine für Russland geltende Krankenversicherung abschließen müssen. Natürlich besitzen wir eine Auslandskrankenversicherung, die auch in Russland gilt. Allerdings akzeptiert das Visa Center nur bestimmte Versicherungsunternehmen. Daher müssen wir - und alle, die wir getroffen haben - im Reisebüro eine zusätzliche Versicherung abschließen. Unsere Führerscheine müssen wir zum Glück - nach einer genauen Prüfung - nicht übersetzen lassen, da unsere internationalen Führerscheine eine Seite mit russischen Angaben beinhalten.
Wir finden über Google in der Nähe des Service Centers ein Überstezungsbüro. Die beglaubigte Übersetzung des Fahrzeugscheins können wir bereits am nächsten Tag nachmittags abholen. Der Rest verläuft recht einfach. Die Mitarbeiterin im Visa Center korrigiert unsere Online-Visaanträge in einigen kleinen Punkten. Wir müssen - aus welchem Grund auch immer - neue Passfotos machen und für die SMS-Benachrichtigung eine georgische Telefonnummer angeben. Dann zahlen wir umgerechnet 360 Euro und stehen nach etwas einer Stunde auch schon wieder auf der Straße. Jetzt heißt es warten. Als Information haben wir mitbekommen, dass die Bearbeitung zwischen fünf und zehn Arbeitstage dauern kann.
Wir beschließen, die Wartezeit zu nutzen und an einen Ort zu fahren, der kühler ist und den wir auf Grund des schlechten Wetters nach unserer Ankunft in Georgien zunächst ausgelassen hatten: Mestia in Swanetien.
2 Comments
Hallo Petra,
Ihr habt lange nichts mehr geschrieben- ich hoffe nicht, dass ihr nicht in Georgien gestrandet seit.
Ich drück euch die Daumen, dass ihr weiterkommt und demnächst wieder spannende Reiseberichte postet.
Viele Grüße
Bernd
Vielen lieben Dank, Bernd, uns geht es gut. Wir sind einfach nur „etwas“ im Rückstand mit den Blogbeiträgen. Tatsächlich waren wir die letzten Tage im Transit und sind heil in Kasachstan angekommen. Jetzt versuchen wir bei 42 Grad uns Luft zuzufächeln und Texte zu verfassen. Keine leichte Übung, aber die neuen Beiträge kommenn… Liebe Grüße Petra & Christoph