Von Tbilisi bis Mestia sind es etwa 475 Kilometer Richtung Nordwesten. Für die Strecke benötigt man zwischen acht und zehn Stunden je nach Verkehr und Straßenzustand. Wir überlegen uns, die Strecke in mehrere Etappen zu teilen, um die Fahrt etwas entspannter für uns zu gestalten.
Unser erstes Ziel ist die Festung und Kirche Samtsevrisi. Etwa 110 Kilometer und zwei Stunden entfernt von der Hauptstadt. Christoph rätselt, die wievielte Kirche er wohl heute besichtigt? Es ist die dreiundzwanzigste in siebenundzwanzig Tagen Georgien. Viel ist über die Festung nicht bekannt. Sicher ist, der Ort wurde bereits 2000 v. Chr. besiedelt. Hier oben am Ufer der Kura hat man einen schönen Ausblick über das Tal. Für uns ist es der perfekte Platz für eine ruhige Nacht.
Die zweite Nacht verbringen wir am Enguri-Stausee, dessen Mauer 750 Meter breit und 272 Meter hoch ist.
Der Damm ist laut Wikipedia das größte Bauwerk im Kaukasus und die dritthöchste fertiggestellte Talsperre weltweit. Wir haben leider kein Glück mit der Aussicht, denn es regnet mal wieder und Nebelschwaden wabern um uns herum. Wir packen also unsere Sachen und ziehen weiter in Richtung Mestia.
Die Straßen sind mittelprächtig und voller Schlaglöcher. Dennoch hat die Fahrt über die gewundene Strecke durch die wunderschöne grüne Berglandschaft für uns auf Grund der Natur und der geringen Geschwindigkeit etwas meditatives.
Unsere Vorfreude auf die Region Swanetien wächst mit jedem Kilometer. Und plötzlich tauchen die ersten Wehrtürme von Mestia auf - wir haben unser Ziel erreicht. Der Ort liegt übrigens auf 1.500 Metern und gehört auf Grund de mittelalterlichen Türme zum UNESCO Welterbe.
Mestia ist der perfekte Ausgangspunkt für Wanderungen aller Schwierigkeitsgrade und damit beliebt bei Touristen.
Der kleine Ort hat sich seinen Charme aber erhalten. Es gibt einige Supermärkte, Obst- und Gemüseläden und jede Menge Restaurants und Cafés in denen man das Treiben gemütlich beobachten kann.
Hier stehen wir übrigens nach langer Zeit mal wieder auf einem kleinen familienbetriebenen Campingplatz unter Obstbäumen und mit angeschlossenem Hostel.
Camping & Hostel Svanland
D. Aghmashenebeli st. 15-17
Mestia, 3200, Georgien
Tel.: +995 591 69 96 29 (engl.)
Blue Mountain Café
Queen Tamar Street 20
Mestia 3200 Georgien
geöffnet täglich: 10-23 Uhr
Das Blue Mountain Café etwa verarbeitet regionale Produkte zu - wie wir bestätigen können - leckeren Gerichten und ist zudem noch sehr hübsch eingerichtet.
Ob Bude auf georgisch das gleiche meint, wie auf deutsch, haben wir nie heraus gefunden, aber die Chai Bude bietet Snacks, Kuchen und natürlich viele Varianten Tee. Das bezaubernde kleine Vintage Café, das die Inhaberin selbst führt, hat ebenfalls einen tollen Flair.
Am Tag nach unserer Ankunft springen wir in unsere Wanderstiefel.
Früh morgens brechen wir zu einer 14-Kilometer-Rundwanderung auf. Der erste Abschnitt verläuft leider auf der Straße, bis wir endlich den Wegweiser für den Einstieg entdecken.
600 Höhenmeter müssen wir rauf, haben aber auf dem gesamten Rundweg immer wieder einen schönen Blick auf den 4.737 Meter hohen Berg Ushba im Großen Kaukasus.
Unser Weg führt uns durch ein verlassenes Bergdorf mit einem letzten Bewohner, der die Stellung hält.
Hinter dem Dorf endet plötzlich der Wanderweg. Wir laufen ein Stück querfeldein und entdecken irgendwann einen Wegweiser, dem wir folgen. Geplant haben wir unsere Route mit der Wander-App Komoot. Die Beschilderung entlang der Strecke empfinden wir allerdings als ausbaubar.
Nach 600 Höhenmetern in Richtung Gipfel geht es irgendwann natürlich auch wieder bergab. Auf unserer Tour mit durchaus anspruchsvollen Abschnitten.
Wir können uns nicht satt sehen an der kaukasischen Bergwelt. Obwohl unsere Füße langsam schmerzen, freuen wir uns bei jedem Schritt in Richtung Tal über unsere schöne Tour.
Den nächsten Morgen lassen wir langsam angehen und frühstücken erst einmal ausgiebig unter den Obstbäumen unseres Campingplatzes.
Gut gestärkt machen wir uns auf ins Dorf und schauen die für Swanetien typischen Wehrtürme einmal genauer an.
In Mestia sind heute noch etwa 42 von diesen Bauwerken zu bestaunen. Sie boten den spanischen Familien ab dem frühen Mittelalter Schutz vor ihren Feindenund Naturkatastrophen und dienten gleichzeitig als Signaltürme und Wachposten. Waren alle im Turm, wurde die Leiter eingezogen und die Angreifer aus den Schießscharten auf Distanz gehalten. Sie sind 20 bis 25 Meter hoch und haben vier oder fünf Stockwerke, die im Inneren mit Holzleitern verbunden sind. Sie sind oft in Wohnhäuser eingebaut, stehen aber auch frei.
Am Vortag hatten wir im Ort ein kleines Kino entdeckt. Es zeigt fünfmal täglich einen einzigen Film: Dede - was übersetzt Mutter heißt.
Dieser mehrfach ausgezeichnete Film von der georgischen Regisseurin Mariam Kahaatchvani, spielt in einem abgelegenen Bergdorf in der Region Swanetien. Wir wählen die 17 Uhr-Vorstellung und schauen uns im Keller des Kinos den Film mit englischen Untertiteln zusammen mit drei anderen Besucher:innen an. Die Schwester der Regisseurin gibt uns bvor der Vorstellung eine kurze Einführung und berichtet von den Dreharbeiten mit den Laiendarstellern aus Mestia und Ushguli.
Der 2017 auf Basis einer wahren Geschichte entstandene Film Dede erzählt eindrucksvoll vom Leben einer jungen Frau die versucht, alten Traditionen wie Zwangsheirat und Blutsfehde zu entkommen.
Am nächsten Tag erhalten wir die lang ersehnte SMS aus dem Visa Center. Unser Antrag auf ein Transitvisum sei entschieden, lautet sie. Über das Wie werden wir nicht informiert. Es bleibt also spannend. Da wir den Weg nicht an einem Tag zurück fahren können und somit keine Chance haben, noch in dieser Woche das Ergebnis der Botschaft zu erfahren, beschließen wir das beste aus der Situation zu machen und bleiben spontan noch einen Tag länger.
Wir nutzen die Zeit für eine weitere Wanderung. Die hatte es mit 750 Höhenmetern auch noch mal in sich. Es geht siebeneinhalb Kilometer rauf zum Kreuz von Mestia. Und später auch wieder runter.
Hier oben auf 2.200 Metern hat man einen kompletten Rundblick auf den großen Kaukasus. Die Grenze zu Russland. Auch diese Wege sind nur mäßig ausgeschildert. Ab und an taucht die rot-weiße Markierung dann doch auf.
Die Woche in Mestia haben wir sehr genossen. Die beiden Wanderungen und die Natur hier oben sind eines unserer Highlights unserer Georgien-Reise. Wir sind froh, noch einmal hierher zurück gekommen zu sein.
Am Samstagmorgen packen wir dann unsere Sachen und machen uns auf den Rückweg. In zwei Etappen fahren wir nach Tbilisi, denn wir wollen gleich Montag morgen im Visa Center sein.