Nach einer Woche Wandern im Großen Kaukasus sind wir zurück in Tbilisi, der Hauptstadt von Georgien. Die Stadt begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein. Wir fahren zu unserem bekannten Stellplatz oberhalb der Altstadt und freuen uns, hier ein paar Van Lifer wieder zu treffen, die wir schon bei unserem ersten Besuch in Tbilisi getroffen hatten und auf den tollen Ausblick auf die Stadt unter uns.
Am nächsten Morgen machen wir uns mit gemischten Gefühlen auf zum Service Centrum der russischen Botschaft. Um es kurz zu machen, die Damen am Ausgabeschalter muss zwar etwas länger suchen, findet dann aber unsere Pässe. Beide sind mit einem Visum versehen. Wir sind erleichtert. Freuen können wir uns ob der politischen Umstände nicht.
Wir machen uns auf den Rückweg zu unserem Stellplatz. Unterwegs kaufen wir noch ein paar Vorräte, und dann geht es auch schon wieder raus aus Tiflis. Diesmal Richtung Süden. Wir wollen die verbleibenden vierzehn Tage in Armenien verbringen.
Die armenische Grenze liegt nur etwa eineinhalb Stunden südlich von Tbilissi. Als wir dort am frühen Nachmittag ankommen, stehen bereits ein ganze Menge armenischer, georgischer und russischer Fahrzeuge dort. Auf der georgischen Seite geht alles recht schnell. Einen Blick in unsere Pässe, den Fahrzeugschein gecheckt, einen Blick ins Auto und raus sind wir.
Vor dem armenischen Schlagbaum aber geht es erst einmal gar nicht weiter. Wir stehen und warten. Irgendwann kommt ein Grenzbeamter und erklärt uns, dass ich, Petra, als Beifahrerin die Grenze zu Fuß passieren muss. Nur der Fahrer darf im Auto bleiben. Wir finden das lustig und freuen uns darauf, uns in Armenien wieder zu sehen. Die Passkontrolle verläuft zügig, und ich werde von dem Beamten mit einem freundlichen „Welcome to Armenia“ begrüßt. Wir fühlen uns ab der ersten Begegnung in diesem Land willkommen.
Insgesamt dauert der Grenzübertritt keine eineinhalb Stunden, obwohl wir unmittelbar vor dem Schlagbaum ins Grenzgebäude zurückgeschickt werden, weil uns die Zollbescheinigung für unseren Van fehlt. Wir gehen also zurück auf Los und stellen uns in eine Schlange mit georgischen, türkischen und russischen Truckern. Da unser Van auf mich, Petra, zugelassen ist, kläre ich mit der Zollbeamtin alle Formalitäten, die freundlicherweise für uns alle Papiere ausfüllt und sich auch noch freut, ihre Deutschkenntnisse bei uns anzuwenden. Wir müssen den geschätzten Wert des Fahrzeugs angeben und können dann für die Gebühren an einem kleinen Geldautomaten Dram ziehen. Danach erhalten wir ein Importdokument von der Beamtin, das wir am Schlagbaum abgeben und damit sind wir eingereist.
Unmittelbar hinter der Grenze schließen wir in einem kleinen Laden eine 15-tägige Pflichtversicherung für den Kastenwagen ab. Gezahlt werden kann allerdings nur in bar. Zum Glück hatten wir vorher am Geldautomaten etwas mehr abgehoben, als für den Import des Van nötig. Wir erfragen interessehalber hier auch den Preis für eine Datenkarte: 8.000 Dram. Wir bleiben bei unserer Traveller-Regel Nummer 1: kaufe keine Datenkarte an der Grenze. Wie sich später herausstellt, bietet man uns fünf Kilometer weiter unbegrenzte Internet-Daten für den halben Preis an. Hier kaufen wir.
Unsere erste Station und gleichzeitig unser Schlafplatz ist das Wehrkloster Achtala, 30 Kilometer hinter der Grenze. Selbstverständlich besichtigen wir es. Die Anlage wird auf das 11. bis 13. Jahrhundert datiert. Die Kirche ist in sehr gutem Zustand und die mittelalterlichen Malereien in Inneren sollen die besterhaltenen des Landes sein. In der Nähe der Hauptkirche befinden sich die Überreste einer Kirche aus dem 13. Jahrhundert und die Ruinen mehrerer Klosterzellen und eines Refektoriums.
Direkt am Eingang springt uns ein für armenische Kirchen typischer Kreuzstein ins Auge. Die kunstvoll bearbeiteten Gedächnissteine sind ein zentrales kulturelles Symbol der Armenier. Oft sind die Steine bis zu drei Meter hoch und neben einem Kreuz mit geometrischen und pflanzlichen Motiven verziert.
Am nächsten Morgen machen wir uns wieder auf den Weg, noch bevor die ersten Besuchenden eintreffen.
Obwohl wir nur wenige Kilometer hinter der Grenze sind, ändert sich die Landschaft schnell. Sie ist trockener, karger, hügelig und aus charakteristisch rotem Sand und Stein. Auf unserer Route unterqueren wir nostalgisch schöne Eisenbahnbrücken und fühlen uns wieder einmal in Mitten einer Märklinwelt.
Gemächlich geht es weiter an den auf 2.000 Meter liegenden Sewansee. Er ist laut Wikipedia der größte Süßwassersee des Kaukasus und eineinhalb mal so groß wie der Bodensee. Einst hat derselbe Ingenieur, der für das Austrocknen des Aralsees verantwortlich ist, versucht das Wasser des Sewansee für die Landwirtschaft zu nutzen und den See fast leer gepumpt. Glücklicherweise haben die Armenier ihn daran gehindert und den Level des Sees zudem noch wieder aufgefüllt.
Das um 870 erbaute Kloster Sewanawank liegt malerisch oberhalb des Sees. Die Kirche ist ein touristischer Hotspots und so schlängelt sich eine Reihe von Menschen die Treppe hinauf zum Kloster. Am Fuße des Hügels gibt es jede Menge Stände mit Nippes, Säften und Eis. Aber der Aufstieg lohnt sich dennoch. Nicht nur wegen der Aussicht. Zudem sind wir am frühen Abend hier, wo es allmählich leerer wird. Auch die Kirche selbst mit beispielsweise der geschnitzten Kirchentür, die sehr detailliert ausgearbeitete religiöse Motive zeigt, ist eine Besichtigung wert. Auch hier finden sich die typischen Kreuzsteine.
Im Ort Sewan füllen wir unsere Vorräte auf. Die Struktur der Lebensmittelläden unterscheidet sich hier deutlich von Georgien. Es gibt so gut wie keine Supermärkte. Schon gar keine großen. Viele Lebensmittel wie Reis, Nudeln, Linsen, aber auch Kekse werden offen, oder in kleine Plastiktüten abgefüllt, verkauft. Die Auswahl ist deutlich eingeschränkter. Dafür gibt es viele Obst- und Gemüseläden, die alle auch noch andere Dinge anbieten. Mal Nüsse und Rosinen, mal Kräuter, selbstgemachte Soßen oder Honig.
Auf unserer Fahrt durch Sewan entdecken wir eines der coolsten Cafés Armeniens. Das Boheme Studio & Teahouse. Das bunte Hippie Café mit den bemalten Wänden ist vollgestopft mit skurrilem Nippes, den man kaufen kann und vielen Instrumenten. Die Bedienung klärt uns sogleich auf, dass wir die Instrumente gerne spielen können. Wir bestellen uns leckeren Kräutertee und ein paar warme Snacks aus der äußerst umfangreichen Karte. Aufnahmen aus dem Café gibt es übrigens in unserem YouTube Film.
Bohem Studio - Teahouse
16/13 Sayat-Nova St
Sewan 1501, Armenien
geöffnet tgl. 12-22:30 Uhr
Nach der Stärkung fahren wir ein Stück weiter um den See zu einem verlassenen Campingplatz. Wir beschließen, das dies unser Stellplatz für die Nacht wird.
Am nächsten Morgen lassen wir es entspannt angehen und beschließen, noch ein paar Tage am See dranzuhängen. Ein Stück weiter südlich soll es nach Angaben der App Park4Night gut zugängliche einsame kleine Buchten geben, die zum Freistehen einladen. Dort fahren wir hin und sind schon bei der Anfahrt fasziniert von der Wasserfarbe. Je nach Sonneneinstrahlung verändert sie sich von karibisch bis Waldsee.
Wir beziehen unseren neuen Standplatz und springen erst einmal in die Badesachen. Der See ist herrlich kalt und erfrischend.
Neben unserem Strand lernen wir Osana und Guillaume aus Paris kennen, die ebenfalls mit einem Citroen Jumper Kastenwagen unterwegs sind. Am Abend treffen wir am See noch eine Gruppe Armenier, die die beiden Franzosen und uns zu einer Geburtstagsfeier am Lagerfeuer einlädt. Die Tage am See sind wie ein Urlaub im Urlaub.
Wir haben die Tage am See genossen und freuen uns jetzt auf Eriwan.
Die armenische Hauptstadt liegt auf 989 Metern Höhe und hat knapp über eine Million Einwohner:innen. Mitten im Zentrum bietet das Center Hostel Van-Lifern eine Dusche, eine Waschmaschine sowie einen Platz auf dem Parkdeck vor dem Haus. Wir können dort mit unserem sechs Meter Van gerade noch rangieren und beschließen von hier aus die Stadt zu erkunden.
Während unseres Aufenthalts herrschten tagsüber Temperaturen zwischen 35 und 37 Grad und nachts zwischen 23 und 25 Grad. Nichtsdestotrotz machen wir uns auf in das Zentrum der Stadt, zum Platz der Republik mit seinen Amtsgebäuden aus rosa Tuffstein. An diesem Platz, der eine wichtige Rolle für das öffentliche Leben in Jerewan spielt, sollte man unbedingt einen Stopp einplanen.
Wir ziehen weiter durch die Stadt. Leider gibt es nur noch vereinzelt schöne Altbauten, aber man ist zumindest jetzt dabei, die Fassaden, die noch da sind, zu erhalten. Hinter den geretteten Fassade entstehen oft moderne Neubauten.
Da sich das Bussystem für uns nicht erschließt und auch nicht über die Moovit-App abgebildet wird, können wir in Eriwan nur die Metro benutzen. Mit ihr fahren wir für umgerechnet 20 Eurocent zur Markthallen der Stadt. Gleich am Eingang empfangen uns kunstvoll arrangierte Gestecke aus Nüssen und Trockenfrüchten. Zu einem Kauf lassen wir uns allerdings nicht hinreißen. Uns zieht es eine Halle weiter in die ebenso bunte Obst- und Gemüseabteilung, wo wir den Beeren nicht widerstehen können. Wir kaufen einen großen Topf voller süß-saurere Brombeeren. So lecker.
Gleich am Eingang empfangen uns kunstvoll arrangierte Gestecke aus Nüssen und Trockenfrüchten. Zu einem Kauf lassen wir uns allerdings nicht hinreißen.
Uns zieht es eine Halle weiter in die ebenso bunte Obst- und Gemüseabteilung, wo wir den Beeren nicht widerstehen können. Wir kaufen einen großen Topf süß-saure Brombeeren. So lecker.
Am nächsten Tag besichtigen wir den alten Teil Eriwans: Kond. Dieser ist leider bereits stark von Neubauten umzingelt, macht aber kunstvoll auf sich und den drohenden Abriss aufmerksam.
Hier entdecken wir in einem Hinterhof das Kondi Hayat Cafe. Eine kleine familienbetriebene Idylle. Wir ruhen uns bei Obst und Tee vom Pflastertreten aus und fassen einen Plan: den heißen Nachmittag verbringen wir am Pool.
Nach einer kurzen Recherche finden wir den zum Green Palace Hotel gehörenden Paradise Pool. Wir fahren zurück zu unserem Camper, packen unsere Badesachen und schnappen uns für 4 Euro ein Taxi.
Für umgerechnet stolze 16 Euro Eintritt pro Person legen wir uns am Paradiese Pool angekommen auf zwei Liegen, springen diverse Male in den Pool und bestellen uns einen kühlen Drink. Paradiesisch.
Erfrischt nachen wir und am frühen erneut mit dem Taxi auf den Weg in die Stadt und erklimmen zum Sonnenuntergang die Eriwan-Kaskaden, um den Blick auf den für die Armenier heiligen Berg Ararat zu genießen.
Leider ist es an diesem Abend etwas diesig. Das hindert uns aber nicht, uns schmunzelnd an den Moment zu erinnern, als wir auf der gegenüberliegenden türkischen Seite des Berges mit unserem Van stecken geblieben sind. Weil wir zu diesem Berg seit dem eine spezielle Verbindung haben, wollen wir uns ihm im Laufe unserer Fahrt durch Armenien noch einmal an anderer Stelle nähern.
Am nächsten Morgen wollen wir weiter Richtung Zentral-Armenien. Auf uns warten noch ein paar Spuren der Seidenstraße in diesem Land.
Zum Abschluss fahren wir aber noch zum Mahnmal und Museum Zizernakaberd, das an den armenischen Genozid durch die Osmanen erinnert, dem auch Griech:innen und Assyrer:innen zum Opfer gefallen sind. Wir finden, dass die Architektur und die Musik dem Ort eine bewegende und zugleich würdevolle Atmosphäre verleiht. So sind etwa die Stufen des Mahnmahles so angelegt, dass jeder, der es betritt unweigerlich den Kopf senkt und sich somit verneigt.
Das Museum bereitet die Taten außerordentlich gut auf und geht darüber hinaus auch auf die Genozide an Jüdinnen und Juden, Tutsi und Jesid:innen ein.
Auf der dem Museum angrenzenden Fläche stehen Nadelbäume unterschiedlicher Größe, gepflanzt bei den Besuchen verschiedener Staatsoberhäupter. Einen Baum der Bundesregierung haben wir vergeblich gesucht.