Wir halten in Ganyushkino, dem ersten Ort nach der russisch-kasachischen Grenze und stellen fest, dass wir völlig vergessen haben, eine Autoversicherung an der Grenze abzuschließen. Da Sonntag ist, besuchen wir erst einmal den örtlichen Geldautomaten. Das Auswärtige Amt schreibt, mit dem Geldabheben sei das so eine Sache in Kasachstan abseits der großen Städet. Der Geldautomat im kleinen Ganyunkino funktioniert tadellos.
Mit etwas Bargeld in der Tasche fahren wir die Hauptstraße auf und ab. Bisher waren die Geschäfte in unseren Reiseländern auch am Wochenende geöffnet. Nicht so hier. Einen einzigen offenen Mobilfunkshop finden wir und in dem treffen wir auf einen geduldigen, cleveren Besitzer, der Susanne und uns für umgerechnet jeweils 13 Euro eine SIM Karte für 30 Tage von active (ehemals Kcell) verkauft und auch noch das Problem löst, dass wir in unserem Router dafür die APN anpassen müssen. Nach etwa eineinhalb Stunden sind wir online.
Wir drehen ein paar weitere Runden durch den Ort und stellen uns auf eine freie Fläche etwas abseits der Hauptstraße. Es ist heiß, gut und gerne über 40 Grad.
Susanne und Hugo erregen die Aufmerksamkeit von drei Teenagerinnen. Susanne zeigt den Mädchen den Buchanka und erklärt ihnen unter staunenden Blicken ihre Reiseroute. Wer weiß, welche Saat die Alleinreisende bei den drei Mädchen gelegt hat?
Nach einer ruhigen Nacht machen wir uns am nächsten Morgen auf zum Basar. Dort soll es laut der App iOverlander ein Büro geben, das Autoversicherungen verkauft. Mit Hilfe eines Einheimischen finden wir das Büro auch, allerdings winkt der Mann am Schreibtisch ab, nach einem kurzen Blick in unsere Pässe. Eine Versicherung für Ausländer abzuschließen, ist ihm wohl zu kompliziert.
Wir ziehen enttäuscht wieder ab und machen uns auf den Weg zur örtlichen Polizeistation. Dort soll schon Reisenden vor uns bezüglich einer Versicherung geholfen worden sein. Auf dem Weg dorthin sehen wir an einem Gebäude einen Banner für Autoversicherungen. Kurz entschlossen treten wir ein.
Vor einer Tür mit einem Hinweisschild auf Versicherungen, warten mehrere Menschen. Wir schauen in eins der anderen offenen Büros und treffen auf einen freundlichen Mann zwischen Stapeln von Aktenordnern. Wir schildern ihm unser Problem. Er telefoniert kurz und eine junge Frau erschient, die uns in bestem Englisch fragt, wie sie uns helfen kann. Es stellt sich heraus, dass sie eine Sprachschule im selben Gebäude betreibt. Wir schildern ihr erneut unser Problem. Sie erklärt uns, dass es sehr schwierig ist, in Ganyushkino eine Versicherung abzuschließen und, dass man das an der Grenze macht. Wir stimmen ihr zu und schauen etwas zerknirscht drein. Auch sie telefoniert kurz und winkt uns dann, ihr zu folgen.
Sie begleitet uns zu Post, wo uns ein Mann in Empfang nimmt. Ihr Bruder, wie sich herausstellt. Wir betreten mit ihm die Post. Er weist uns den Weg durch ein Labyrinth von Gängen und Räumen im Postgebäude, bis wir in seinem Büro ankommen, wo er an seinem Computer für uns online die Versicherung abschließt. Einfach so aus Freundlichkeit. Wir geben ihm umgerechnet 25 Euro, die er für uns ausgelegt hat und bedanken uns so gut wir das mit unseren Brocken kasachisch können.
Wir beginnen langsam zu verstehen, was ein Bekannter meinte, als er sagte, dass in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion die Menschen für Probleme eigentlich immer eine kreative Lösung finden.
Ausgestattet mit Internet, Geld und Versicherung klettern wir in unsere Autos und fahren Richtung Atyrau.
Schotter und Asphalt als Straßenbelag wechseln sich regelmäßig ab. Immer kombiniert mit großen Schlaglöchern, die für einen veritablen Achsschaden reichen. Das fordert Mensch und Maschine. Wir beschließen in Xamit Ergaliyev Halt zu machen. Für die 180 Kilometer benötigen wir acht Stunden.
Unterwegs begegnen uns am Straßenrand die ersten frei laufende Dromedare und Kamele. Die karge, sandige Steppenlandschaft tut ihr übriges. Wir schauen fasziniert aus dem Fenster und stellen fest, Europa liegt hinter uns. Wir sind nun vollständig in Zentralasien angekommen.
In der App iOverlander ist in Xamit Ergaliyev ein Stellplatz beschrieben, der Schatten verspricht. Etwas, was wir seit zwei Tagen nicht mehr gesehen haben. Bei über 40 Grad tagsüber eine verlockende Idee.
Begrüßt werden wir in der kleinen Oase am Fluss von einer kleinen Herde freundlich neugieriger Kamele. Die ansonsten aber nicht viel Notiz von uns nehmen. Wir freuen uns über diesen tollen Platz und machen es uns gemütlich.
Am nächsten Tag fahren wir weiter nach Altyrau. Hier füllen wir unseren Gastank.
Unsere Adapter passen einwandfrei. Wir entscheiden uns im Hof des Hostel Arzu zu stehen. Das Hostel bietet uns für vier Euro pro Person neben einer Waschmaschine auch eine ausgiebige Dusche. Allerdings ist es bei den Temperaturen zwischen den Häusern noch mal wärmer. Wir entscheiden uns, nur eine Nacht zu bleiben und zu fahren, sobald unsere Wäsche trocken ist.
Am nächsten Tag heißt es Abschied nehmen. Nach fünf gemeinsamen Reistagen mit Susanne fahren wir wieder zu zweit weiter. Wir genießen die unendliche Weite der kasachischen Steppe. Eine Landschaft, die für uns immer noch unwirklich ist. Staubig, karg und trocken. Bei Temperaturen bis 42 Grad entdecken wir Melonen als neues Grundnahrungsmittel.
Wir fahren bis Kulsary. Etwas abseits vom Stadtzentrum entdecken wir einen traumhaften Spot an einem See. Wir entscheiden uns, für eine ruhige Nacht zu bleiben. Bevor wir weiter fahren, decken wir uns auf dem Bazar von Qulasry noch mit frischem Gemüse ein und - genau - mit mehreren Melonen.
In Kasachstan wird Wasser für uns zu einem dauernden Thema. Wir haben eigentlich immer ein Auge auf den Frischwassertank. Hier aber kommt die Frage dazu, wo die nächste Quelle ist, denn öffentliche Wasserstellen zu finden ist für uns nicht so einfach, da sie nicht ausgeschildert sind, wie in anderen Ländern. Wie gut, dass es Apps wie iOverlander gibt in denen Traveller ihre Tipps weiter geben.
Dafür ist Ad Blue kein Problem in Kasachstan. Wir hatten vor unserem Start gelesen, dass es schwer zu bekommen sei und auf den Kauf eines Gebrauchtfahrzeuges umgeschwenkt, um dem Thema aus dem Weg zu gehen. Wir sehen aber auf unserer Strecke an allen großen Tankstellen AdBlue-Schilder. Es ist mittlerweile bis Kasachstan gut erhältlich.
Uns zieht es weiter über Beineu und Shetpe nach Zhetybay, denn wir wollen in das Naturreservat Ustyurt. Doch bis dahin sind es noch ganze 580 Kilometer. Kasachstan ist einfach ein so großes Land. Wir fahren und fahren und bewegen uns am Tag auf der Landkarte doch immer nur ein kleines Stückchen weiter.
Wir denken, dass wir alleine die Steinmonumente nicht finden oder nur mit sehr viel Suchen und Recherche. Außerdem sind wir uns nicht sicher, ob die Wege so ausgelegt sind, dass wir sie mit Puschel fahren können. Also suchen wir parallel über die Webseite Indy Guides nach einer Tour im Nationalpark Mangystau.
Unser Fahrer Aktau holt uns gegen 9:30 Uhr in Zhetybay ab, wo wir auf einem Parkplatz in der Stadt unser Lager aufgeschlagen haben. Als abenteuerlustige deutsche Touristen können wir es nicht abwarten, in den Nationalpark zu kommen. Aktau hingegen ist um unser leibliches Wohl besorgt und steuert mit uns erst einmal ein typisch kasachisches Restaurant an. Für uns Veganer bietet die kasachische Küche allerdings nur ein begrenztes Angebot. Aber Pommes und Salat gehen immer, oder?
Auf der Fahrt zum Nationalpark passieren wir kasachische Ölfelder mit unzähligen Förderpumpen. Und wir treffen immer wieder unsere neuen Lieblingstiere: Kamele. Irgendwann biegt Aktau von der Hauptstraße ab und spätestens hier wird uns klar, dass mit unserem Van hier Schluss wäre.
Wir steuern als erstes Kyzylkup an. Für Touristen auch Tiramisu Mountain genannt. 30 Minuten gibt Aktau uns, um die wunderschönen Gesteinsschichten zu bewundern und zwischen die Berge zu laufen.
Dann geht es auch schon weiter zu unserer zweiten Station, dem Bozhira Canyon. Er erstreckt sich über 2.000 Quadratkilometer. Man geht davon aus, dass es sich um den Grund eines früheren Meeres handelt. Wir fahren den Canyon von drei Plateaus an und entdecken so immer neue spektakuläre Perspektiven.
Die Fahrt mit Aktaus 4WD ist für sich genommen schon ein kleines Abenteuer. Wobei wir uns selbst bei den steilen Passagen sicher fühlen. Kurz vorm Verlassen des Canyons passiert es dann allerdings doch, und das Fahrzeug setzt auf. Kurzerhand montiert Aktau ein Teil von der Aufhängung oder Hinterachse ab, schon kann es weiter gehen. Abends um 22 Uhr sind wir wieder in Zhetybay. Erschöpft und glücklich. Für uns ist Mangystau das bisherige Highlight unserer Reise. Jetzt noch schnell ein paar Nudeln kochen und ab in Bett.
Am nächsten Tag machen wir uns glückselig auf den Weg zurück in Richtung usbekische Grenze.