Nach zwei Wochen Armenien und fast fünf Wochen Georgien beginnt für uns ein neuer Reiseabschnitt. Wir freuen uns auf Zentralasien.
Vom Sewansee fahren wir etwa eineinhalb Stunden Richtung armenisch-georgische Grenze. Der Grenzübertritt ist einfach und gleicht der Einreise. Die Beifahrer:in geht separat durch die Passkontrolle. Die Fahrer:in gibt das Importdokument für das Fahrzeug ab, kurzer Wagencheck, und wir sind aus Armenien ausgereist.
An der georgischen Seite erfolgt der gleiche Ablauf. Die Beifahrer:in geht separat durch die Grenzkontrolle in einem großen von der EU unterstützen Gebäude. Die Fahrer:in fährt im Auto durch die Grenze. Auch hier ein kurzer Wagencheck und wir sind wieder in Georgien eingereist. Ein Temporary Import Paper ist nicht erforderlich. Außerdem haben wir gehört, dass die Georgier bei der Wiedereinreise die vollen 90 Tage Aufenthalt erneut genehmigen. Da unsere Autoversicherung noch gültig ist, müssen wir dafür nicht anhalten. Wir hatten sie zuvor verlängern müssen und haben das diesmal online gemacht unter https://tpl.ge/en. Auch unsere SIM-Karte funktioniert noch. Auf geht's.
Wir fahren noch bis Mzcheta und übernachten dort recht zweckmäßig und gut auf einem großen Parkplatz in der Stadt. Am nächsten Morgen geht es weiter Richtung Norden. Vorbei am Ananuri Stausee und in die Berge. Wir freuen uns auf eine letzte Fahrt durch den hohen Kaukasus. Die Aussicht auf die grünen majestätischen Gipfel ist zu schön.
In Kasbegi angekommen treffen wir letzte Vorbereitungen für unsere dreitägige Transitfahrt. Wir füllen unsere Vorräte auf und aktualisieren unsere Reisedaten in der Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes.
Unter dem Namen ELEFAND haben alle, sich im Ausland befindenden Deutschen, die Möglichkeit, sich elektronisch beim Auswärtigen Amt zu registrieren. Diese Liste führen wir während unserer gesamten Reise. Hier hinterlegen wir die einzelnen Reiseabschnitte. Das System liefert dann automatisch wichtige Informationen für die Zielregion, z. B. Reisewarnungen und die zuständige Auslandsvertretung. Über eine Eingabemaske können die Daten hinterlegt werden. Auch mitreisende Familienmitglieder lassen sich registrieren. In der Rubrik Notfallkontakte kann man Daten zu Angehörigen hinterlegen. Für die kommenden drei Tagen ist es uns besonders wichtig, dort vermerkt zu sein.
Dann machen wir uns auf zum Restaurant Cosy Corner, unsere Transit-Begleiterin Susanne kennenlernen.
Wir hatten in einer Overlander-Gruppe bei Facebook einen Post abgesetzt und gefragt, ob jemand mit uns den Transit in Kolonne fahren möchte. Susanne hat sich gemeldet und nun werden wir die nächsten Tage als kleine Karawane über diesen nördlichen Abschnitt der Seidenstraße reisen.
Restaurant Cozy Corner
Stepantsminda-Larsi 125km
Stepantsminda 4700, Georgien
geöffnet tgl. 10-22 Uhr
Wir drei verstehen uns auf Anhieb super. Susanne ist für drei Monate mit ihrem UAZ Buchanka namens Hugo unterwegs und betreibt unter dem Namen Roadtriplove_de einen Instagram-Kanal, der einen Besuch wert ist.
Nach einer kleinen Stärkung tauschen wir in einer der vielen Wechselstuben 150 Euro in Rubel. Dann klettern wir in unsere Autos und fahren noch ein Stück weiter nördlich zu unserem Übernachtungsplatz. Für umgerechnet drei Euro parken wir beide Autos hier. Es ist der letzte Parkplatz vor den drei ominösen Tunnel an der Grenze, von denen wir auf YouTube Bilder mit langen Schlangen wartender Autos gesehen haben. Unsere Stimmung ist leicht angespannt. Wir gehen alle früh ins Bett, denn am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 5:30 Uhr.
Es ist noch dunkel, als wir starten. Die drei Tunnel durchfahren wir so zügig, wie es bei den riesigen Schlaglöchern eben geht und sind froh, dass wir in keinem Tunnel zum Stehen kommen. Dann schlängeln wir uns an einer langen Schlange aus LKW vorbei. Wir fragen uns, wie lange die armen Fahrer hier wohl stehen, bis sie abgefertigt werden?
An der PKW-Abfertigung ist es noch relativ ruhig. Wir fahren an eins der Häuschen. Es folgt eine kurze Passkontrolle und wir füllen Migrationskarten in doppelter Ausfertigung aus. Dann muss ich als Beifahrerin aussteigen. Christoph führt den Grenzbeamten durchs Auto. Es folgt ein eher kurzer Check des Wagens. Dann werden wir gebeten, das Auto außerhalb des Abfertigungsbereiches zu parken und zum Zoll zu gehen, während der Beamte Christophs Führerschein und einen Begleitzettel direkt zum Zollschalter bringt.
Vor dem Zollhäuschen steht bereits eine kleine Gruppe Menschen. Einer aus der Gruppe klopft an das Fenster des Häuschen. Es öffnet sich und ein kurzer scharfer Wortwechsel folgt. Klopfen ist wohl nicht das Mittel der Wahl. Wir werden gefragt, ob Christoph der Fahrer ist, und er bekommt aus dem Fenster Papiere in zweifacher Ausfertigung gereicht für den temporären Import des Fahrzeugs. Wir füllen die Papiere aus. Was nun? Das Fenster ist wieder geschlossen. Klopfen kam ja nicht so gut an. Wir warten einen Augenblick. Das Fenster öffnet sich. Unsere Papiere werden geprüft und an zwei, drei Stellen für nicht ordnungsgemäß befunden. Wir erhalten zwei neue Ausfertigungen und füllen die Dokumente erneut aus.
Inzwischen hat sich die Gruppe vor dem Fenster vergrößert. Wir kommen mit einigen Georgiern ins Gespräch. Nachdem sich doch immer mal wieder einige von ihnen trauen, an das geschlossene Fenster zu klopfen, öffnet es sich und irgendwann werden auch unsere Fahrzeugimportpapiere angenommen und geprüft. Bei dieser Prüfung fällt auf, dass der Fahrzeugschein auf mich, Petra, ausgestellt ist, die Importpapiere aber auf Christoph, da wir zuvor ja nach dem Fahrer gefragt wurden. Okay, wir hätten es uns denken können. Wir drehen eine dritte Runde beim Ausfüllen der Temporary Import Papers (TIP).
Irgendwann öffnet sich das Fenster am Zollhäuschen ein weiteres Mal, allerdings nur, um uns und den anderen Wartenden mitzuteilen , dass jetzt der Wachwechsel ansteht, der eine gute halbe Stunde dauern wird. Wir könnten uns getrost ins Auto setzen. Wir schauen uns an und entscheiden uns, zu bleiben. Der Wachwechsel zieht sich, das Zollhäuschen wird gereinigt und nach einer weiteren Stunde ist das neue Personal einsatzbereit.
Unsere Papiere werden von der neuen Schicht Grenzbeamten geprüft und angenommen. Wir sind einen Schritt weiter. Insgesamt empfinden wir die russischen Zollbemt:innen uns gegenüber deutlich freundlicher als gegenüber den anderen Wartenden. Die Beamt:innen sprechen entweder englisch oder die Kommunikation wird mit einer Übersetzungsapp geführt. Insgesamt funktioniert das gut, bis die Beamtin, die unsere Papiere angenommen hat, uns per App zu verstehen gibt, dass die Computer nicht mehr arbeiten. Wir schauen uns an. Ein Trick? Die Schlagbäume vor uns gehen runter, so dass kein Auto den Grenzbereich verlassen kann. Nun ja, wir parken eh schon außerhalb, das stört uns also nicht. Wir rätseln, bis uns bewusst wird, dass sich auch an den anderen Grenzposten nichts mehr rührt. Seit einer halben Stunde ist kein Auto abgefertigt worden. Wir realisieren, dass es sich wirklich um einen Stromausfall handeln muss, gehen zu unserem Camper und kochen uns einen Tee.
Gut drei Stunden dauert der Stromausfall am Ende. Als das Licht wieder angeht, erfolgt eine relativ zügige Abwicklung unserer Papiere. Unser Eindruck ist, dass wir drei jetzt bevorzugt abgewickelt werden. Wir bekommen erklärt, dass die Fahrzeugpapiere für die gesamte Eurasische Zollunion gelten und, dass der Import für ein Jahr offen ist. Dann, oder bei der Ausreise, muss der Import geschlossen werden. Später werden wir lernen, dass wir die Papiere nicht bei der Einreise in Kasachstan abgeben, sondern bei der Ausreise nach Uzbekistan.
Wir gehen mit den Temporary Import Papers zurück zu unseren Autos, die mittlerweile zugeparkt sind. Aber das ist nur noch ein kleines Hindernis. Irgendwie bugsiert Christoph den Van aus dem Pulk Autos und LKWs, wir geben zwei der Migrationskarten am letzten Schlagbaum ab und behalten zwei für den Aufenthalt in der Russischen Föderation. Auch den kleinen Kontrollabschnitt mit der Anzahl der Fahrzeuginsassen geben wir hier ab. Unsere Pässe werden ein letztes Mal kontrolliert und der Schlagbaum öffnet sich. Wir sind in Russland eingereist.
Wenige Meter hinter dem Schlagbaum fahren wir rechts ran und kaufen für knapp 5 Euro eine SIM Card (ohne Registrierung) von MTS. Allerdings können wir sie nicht empfehlen. Unsere Internetverbindung war durchweg schlecht. Außerdem schließen eine Kfz-Versicherung ab für etwa 22 Euro und 14 Tage, das kleinst verfügbare Paket.
Mittlerweile ist es Mittag. Wir legen zusammen mit Susanne das etwa 4 Stunden entfernte Shelkovskaya, Tschetschenien als unser heutiges Etappenziel fest und fahren los.
Wir haben vorab Verkehrsregeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen recherchiert, z. B. genießt in Russland im Kreisverkehr der einfahrende Verkehr Vorfahrt. Außerdem haben wir gelesen, dass Ausländer im Transit sich über die großen Zufahrtsstraßen bewegen müssen, da ansonsten Strafen drohen.
Wir streifen die Stadt Grozny und bewegen uns weiter Richtung Norden nach Astrachan, denn unsere Transitroute verläuft auf dem direkten Weg durch Dagestan und Tschetschenien. An den Autobahnen sehen wir relativ viel Militär und auch in den Städten und an den Landstraßen stehen viele Polizeiposten. Wir werden allerdings kein einziges Mal angehalten oder kontrolliert.
In der App iOverlander suchen wir uns einen Schlafplatz in Shelkovskaya auf einem Parkplatz im Ortskern am See.
Am nächsten Morgen geht es direkt weiter. Wir halten nur, um zu Tanken oderfür eine kurze Fahr- und Kaffeepause. Unsere zweite Nacht verbringen wir sehr ruhig nahe des Ortes Bakhtemir, Dagestan an einem Fluss. Am nächsten Morgen fahren wir die letzten 100 Kilometer zur kasachischen Grenze.
Auf der russischen Seite geht die Abwicklung recht zügig. Es erfolgt eine kurzer, aber nicht sehr intensiver Autocheck. Ein Beamter prüft unsere Pässe und sammelt unsere verbliebene zweite Migrationskarte ein. Wir bekommen einen kleinen Papierzettel mit der Anzahl der Fahrzeuginsassen, den wir am Schlagbaum abgeben und reisen aus.
Weiter geht es über eine Brücke zur kasachischen Seite. Die hellblaue Fahne weht bereits verheißungsvoll. Hier hat sich bereits eine lange Schlange gebildet. Wir reihen uns ein. In Schüben geht es voran. Die Abfertigung erfolgt in Gruppen von Autos, die in den Abfertigungsbereich gelassen werden, dann geht der Schlagbaum runter. Wir erhalten zwei Zettel mit einer Nummer. Auf dem Zettel steht 2023. Wir verstehen erst später, dass dies nicht das aktuelle Jahr vermerkt, sondern die Nummer auf unserem Nummernschild, das HH-XX 2023 lautet.
Wir wissen erst einmal nicht, was zu tun ist und steigen aus. Alle anderen Autos sind leer. Wir sprechen einen Grenzbeamten an, der wiederum einen Kollegen holt. Einer der Beamten geht mit Susanne und Christoph zurück zu den Autos. Es erfolgt ein kurzer Fahrzeugcheck mit nettem Geplänkel über unsere Reiseziele und die Prüfung von Christophs Ausweispapiere.
Mich schicken die Beamten in eine separate Abfertigungshalle für Passagiere. Dort werde ich von einem Beamten in die erste Reihe der dort Wartenden geführt und gebeten, ebenfalls zu warten. Parallel zur Fahrzeugkontrolle werden die Passagiere aufgerufen. Aber nach welchem Muster? Mir fällt auf, dass Familien zusammen an die Schalter gehen, aber auch Gruppen, die ich nicht für Familien halte. Als die Insassen des Autos vor uns geschlossen an den Schalter gehen, wird mir klar, dass die 2023 auf meinem Passierschein zu unserem Kennzeichen gehört, und dass hier sehr systematisch die Passagiere in der Halle abgefertigt werden, während dahinter draußen die Fahrzeugkontrollen stattfinden.
Als ich an der Reihe bin, bedeutet mir der Beamte an den Schalter zu gehen. Dort bekomme ich einen Vorgeschmack auf die Freundlichkeit der Kasachen. Der Grenzbeamte interessiert sich für unsere Reisegründe und geplante Route, kontrolliert meinen Pass un verabschiedet mich mit den Worten: Welcome to Kazahkstan.
Hinter dem Gebäude treffe ich dann Christoph und Puschel wieder und wir fahren an den Schlagbaum. Dort geben wir den kleinen Kontrollzettel ab, auf dem die Anzahl der Autoinsassen vermerkt ist, unsere Pässe werden ein letztes Mal kontrolliert und der Schlagbaum öffnet sich. Wir sind nach eineinhalb Stunden in Kasachstan eingereist.